04.12.2025

Wichtige Etappen der türkischen Außenpolitik 2025

Der Beitrag skizziert die zentralen Entwicklungen der türkischen Außenpolitik im Jahr 2025 – von Syrien und Gaza bis zu den Beziehungen zu USA, EU und Russland. Im Fokus steht dabei, wie außen- und innenpolitische Dynamiken ineinandergreifen und die Position Ankaras neu bestimmen.

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Syrien

Als Baschar al-Assad am 8. Dezember 2024 das Land verließ und damit die seit einem halben Jahrhundert herrschende Assad-Dynastie zusammenbrach, konnte die Regierung in Ankara mit einer aus ihrer Sicht erfreulichen Entwicklung ins Jahr 2025 starten. Der Vormarsch der unter Führung von Muhammed Colani Muhammad al-Dscholani stehenden Oppositionskräfte nach Damaskus, dessen Anführer in den Terrorlisten des Westens geführt wurde, und der anschließende Sturz des Regimes trafen jedoch auch Ankara zunächst unvorbereitet. Mit der Rückkehr von US-Präsident Donald Trump ins Weiße Haus im Januar 2025 begann zudem nicht nur für Syrien, sondern für den gesamten Nahen Ostens ein neues Kapitel. 

Trumps engeres Verhältnis zum türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdoğan und sein Kurs im Gaza-Krieg sorgten dafür, dass der Nahe Osten 2025 zum Kernanliegen der türkischen Außenpolitik wurde. Bereits in den ersten Tagen nach seinem zweiten Wahlsieg überhäufte Trump Erdoğan mit Lob. Vor ihrem bilateralen Treffen am Rande des NATO-Gipfels, der im Juni in den Niederlanden stattfand, tauschten sich beide Staatschefs mehrfach telefonisch aus. 

Anders als in seiner ersten Amtszeit startete Trump diesmal personell wie politisch deutlich besser vorbereitet in die neue Runde. Er ernannte seinen engen Vertrauten, den Geschäftsmann Tom Barrack, zum Botschafter in Ankara. Der libanesischstämmige Barrack, dessen Familie bereits zu osmanischer Zeit in die USA ausgewandert war, wurde zugleich zum Sondergesandten für Syrien berufen. 

Für Ahmad al-Schara, der seinen Kampfnamen Muham­mad al-Dscholani abgelegt, die Kampfmontur ausgezogen und zur Krawatte gegriffen hatte, erwiesen sich die ersten Monate an der Macht jedoch als äußerst schwierig. Das Misstrauen gegenüber al-Schara, der die ihm unterstellten Milizen nicht vollständig kontrollieren konnte, wuchs weiter, nachdem es im März bei Gefechten in alevitischen Vierteln zu Massakern gekommen war.

Trumps Rückendeckung für Syriens neuen Machthaber

Als sich die Lage beruhigte und Ahmad al-Schara die akute Krise überstanden hatte, erleichterte ihm die Unterstützung aus Washington die Anerkennung durch die internationale Gemeinschaft. Ankara, das im elfjährigen syrischen Bürgerkrieg hinter den Oppositionskräften gestanden hatte, stellte sich nun vom ersten Tag an demonstrativ hinter al-Schara. Sowohl gegenüber westlichen Staaten als auch gegenüber den Golfmonarchien betrieb die türkische Regierung intensive Lobbyarbeit, damit die neue Führung in Damaskus möglichst schnell offiziell anerkannt wurde. Nach innen vermittelte Ankara die Botschaft, man habe in Syrien ‚auf die richtige Seite gesetzt‘, nach außen hingegen gab sich die Regierung deutlich zurückhaltender. In dieses Bild passt, dass al-Schara als Staatschef seinen ersten Aus­landsbesuch in Saudi-Arabien absolvierte und damit zunächst auf Rückendeckung in der arabischen Welt setzte. 

Die wohl entscheidende Weichenstellung, die dem neuen Regime in Syrien das Überleben sichern sollte, erfolgte jedoch während Trumps Besuch in Riad im Juni. Bei einem Treffen mit Ahmad al-Schara verkündete der US-Präsident die Aufhebung der amerikanischen Sanktionen gegen Syrien. In das Gespräch zwischen Trump, dem saudischen Führungszirkel und al-Schara schaltete sich auch Erdoğan telefonisch zu. Trump betonte anschließend mehrfach, er habe die Sanktionen gegen Syrien auf Drängen der Staats-und Regierungschefs der Türkei und Saudi-Arabiens aufgehoben.

Ein neuer „Prozess“ in der Türkei

Der Regimewechsel in Syrien und die sich erneut öffnenden Kommunikationskanäle zwischen Ankara und Washington fielen zeitlich mit der Anlaufphase eines neuen Prozesses in der Kurdenfrage in der Türkei zusammen. Während Ahmad al-Schara Ende 2024 das Assad-Regime stürzte und die Welt damit überraschte, erlebte die türkische Öffentlichkeit bereits zwei Monate zuvor einen eigenen Schockmoment: Ausgelöst wurde er durch eine Erklärung des Vorsitzenden der Partei der Nationalistischen Bewegung (MHP), des inoffiziellen kleinen Partners der Regierungskoalition. Devlet Bahçeli hatte in der Vergangenheit für die Todesstrafe für Abdullah Öcalan plädiert, den in Imralı inhaftierten Anführer der PKK, die in der offiziellen Doktrin der Türkei als existenzielle Bedrohung gilt. Mit einer Erklärung vom 22. Oktober 2024 ließ er dann jedoch eine politische Bombe platzen. Bahçeli erklärte, „falls nötig“ könne Öcalan ins Parlament kommen und dort sprechen – und gab damit faktisch den Startschuss für einen neuen Prozess zur Lösung der Kurdenfrage. 

Die PKK (Arbeiterpartei Kurdistans) reagierte positiv auf die neue Initiative, die die Regierung als „Prozess für eine Türkei ohne Terror“ bezeichnete. Aus türkischer Sicht stellte sich jedoch vor allem eine besonders heikle Frage: Welche Rolle würde die PYD/YPG-Struktur (Partei der Demokratischen Union/ Volksverteidigungseinheiten), die Ankara seit Jahren als „syrischen Arm der PKK“ bezeichnet, im neuen syrischen System spielen? Während Außenminister Hakan Fidan immer wieder forderte, die PKK-Kämpfer in Syrien müssten das Land verlassen, begannen zwischen Damaskus und den Syrischen Demokratischen Kräften (SDG), die das Rückgrat der YPG bilden, Gespräche. Am 10. März wurde ein Verständigungstext zwischen Damaskus und den SDG bekannt, der auch die Integration bewaffneter Einheiten in die syrische Armee vorsah. Doch bis Ende 2025 waren die in der Vereinbarung festgelegten Schritte noch immer nicht vollständig umgesetzt. 

Im Juli erklärte die PKK, sie löse sich auf und werde die Waffen niederlegen. Die SDG hingegen hielten an ihrer zurückhaltenden Linie fest: Sie waren nicht bereit, sofort zu entwaffnen und die im Nordosten des Landes errungenen Autonomierechte als Selbstverwaltungseinheit kampflos aufzugeben.

Der Syrien-Konflikt als Streitpunkt zwischen Israel und der Türkei

Während Ahmad al-Schara angesichts der Verwüstungen von Jahrzehnten versuchte, sein Land wiederaufzubauen und eine Ordnung zu schaffen, in der die unterschiedlichen ethnischen Gruppen friedlich zusammenleben können, geriet er durch die Schritte Israels in erhebliche Schwierigkeiten. In den Tagen nach Assads Abgang rückten israelische Truppen in die Pufferzone ein, die die Golanhöhen von Syrien trennt, und erklärten, der Machtwechsel bedeute den Zusammenbruch der bisherigen Waffenstillstandsregelungen. Zugleich billigte die Regierung von Ministerpräsident Benjamin Netanjahu Pläne zur Ausweitung der Siedlungen auf den besetzten Golanhöhen. Israel erklärte ferner, die kurdischen Kräfte im Norden Syriens und die Drusen im Süden seien seine natürlichen Verbündeten. Ankara wiederum machte Israel für die Zusammenstöße in der im Süden des Landes gelegenen Region Suweida verantwortlich und warf ihm vor, die dortige drusische Bevölkerung zu provozieren.

Historisches Treffen im Oval Office

Immer häufiger machten Berichte die Runde, wonach es in Syrien zu einer direkten militärischen Konfrontation zwischen der Türkei und Israel kommen könnte, woraufhin Washington eingriff. Israel hatte jene Gebiete bombardiert, in denen Ankara Stützpunkte in Syrien errichten wollte – ein Signal, dass ein offener Zusammenstoß keine allzu ferne Möglichkeit mehr war. Auf Druck der USA traten daraufhin die zuständigen Stellen beider Länder unter amerikanischer Aufsicht in einen Dialog, um eine Eskalation zu verhindern. 

Während Israel einen schwachen, möglichst zersplitterten syrischen Staat als Ziel hatte, gelang es Ankara, die USA von der These zu überzeugen, ein machtloses Syrien stelle für die Region eine noch größere Gefahr dar. In diesem Klima reiste Ahmad al-Schara zunächst nach New York, wo er vor der UN-Generalversammlung sprach. Anschließend flog er nach Washington – und traf dort als erster syrischer Staatschef überhaupt im Oval Office mit einem US-Präsidenten zusammen. 

Der US-Sondergesandte für Syrien pendelte das ganze Jahr über zwischen Ankara, Damaskus und den Syrischen Demokratischen Kräften (SDG). Gegen Jahresende deutete vieles darauf hin, dass die SDG – vor dem Hintergrund der Annäherung Washingtons an Ankara und Damaskus – zu schrittweisen Zugeständnissen bereit waren und ihre bisherige Ausnahmeposition nicht mehr uneingeschränkt verteidigen würden. Für die Türkei ist die Normalisierung Syriens eine unverzichtbare Voraussetzung für Stabilität in der Region. Ankara drängt auf einen raschen Wiederaufbau des Landes – auch in der Hoffnung, dass syrische Geflüchtete so bald wie möglich zurückkehren. Doch als sich das erste Jahr nach dem Regimewechsel näherte und Außenminister Hakan Fidan die Zahl der Rückkehrer mit 550.000 angab, war dies zugleich ein Hinweis darauf, dass die verbleibenden rund 2,5 Millionen Syrer in der Türkei weiterhin erhebliche Vorbehalte gegenüber einer Rückkehr haben.

Waffenstillstand in Gaza

Der Gaza-Krieg, der weltweit anhaltende Aufmerksamkeit und Empörung auslöste, wurde zum zweitwichtigsten Thema der türkischen Außenpolitik. Einer der entscheidenden Punkte im Dialog zwischen der Türkei und den USA war dabei die Annahme von Trumps Gaza-Plan durch die Konfliktparteien. Mit dem Angriff Israels auf Katar war Trumps Geduld erschöpft; während er Israel von dem Plan überzeugte, fiel es der Türkei und Katar zu, denselben Entwurf der palästinensischen Seite schmackhaft zu machen – einen Plan, der vorsah, dass Hamas zunächst einem Waffen­stillstand zustimmt und in einer späteren Phase die Waffen niederlegt. Am 13. Oktober unterzeichneten Ägypten, die USA, die Türkei und Katar im ägyptischen Scharm el-Scheich eine Absichtserklärung zur Herbeiführung eines Friedens. 

Es gilt als wahrscheinlich, dass Trump, um die Palästina-Frage überhaupt wieder handhabbar zu machen, auf die Finanzkraft der Golfstaaten setzt, während er sich insbesondere beim Wiederaufbau und bei der Verwaltung des Gazastreifens auf die institutionellen Kapazitäten der Türkei stützen will. Doch die offenen Fragen, inwieweit die späteren Phasen von Trumps Plan tatsächlich umgesetzt werden können, deuten darauf hin, dass das Thema die türkische Außenpolitik auch im Jahr 2026 weiter beschäftigen wird.

Beziehungen zu den USA

Während die Entwicklungen im Nahen Osten den Dialog auf der Achse Ankara–Washington prägten, blieben zahlreiche bilaterale Streitpunkte weiterhin ungelöst. In der vorausgegangenen Biden-Amtszeit hatte Präsident Erdoğan keine Gelegenheit zu einem offiziellen Besuch in Washington gefunden, im Oktober wurde er dann im Oval Office von Trump empfangen. Bereits im Vorfeld des Besuchs sorgte eine Äußerung des US-Botschafters in Ankara, Tom Barrack, für Debatten in der Türkei: Man werde Erdoğan „Legitimität verleihen“, hatte Barrack angekündigt. 

Das Jahr 2025 war zugleich geprägt von einer massiven Repressionswelle gegen die größte Oppositionspartei CHP, die aus den im Vorjahr abgehaltenen Kommunalwahlen als stärkste Kraft hervorgegangen war, sowie gegen regierungskritische Kreise insgesamt. Je stärker die Aussicht wuchs, dass Erdoğan durch eine Verfassungsänderung oder die Ausrufung vorgezogener Neuwahlen ein drittes Mal für das Präsidentenamt antreten könnte, desto härter ging der Staat gegen die Opposition vor. Am 19. März wurden Erdoğans stärkster Rivale, der Istanbuler Oberbürgermeis­ter Ekrem İmamoğlu, sowie mehrere weitere CHP-Bürgermeister festgenommen; es folgten Initiativen, die auf ein Verbot der CHP zielten. 

Im Gegenzug für das weitgehende Schweigen gegenüber undemokratischen Praktiken in der Türkei verfolgten die USA das Ziel, Ankara stärker an ihre regionale Ordnungspolitik anzubinden – ein Ansatz, der vor allem im Nahen Osten Wirkung entfaltete. Dass sich ein Land wie die Türkei hinter den Plan stellte, obwohl unklar war, ob er palästinensische Rechte tatsächlich schützt, galt als eines der deutlichsten Indizien für Trumps Kalkül. 

Erdoğans Besuch wiederum trug nicht dazu bei, die Blo­ckade bei amerikanischen Rüstungslieferungen an die Türkei zu lösen. Weder bei der Modernisierung der F-16-Flotte noch bei der Beschaffung neuer F-16 und F-35 wurden die bestehenden Divergenzen ausgeräumt; die Hürden für Waffenexporte bestanden zum Jahresende weiterhin.

Grünes Licht aus Deutschland für den Eurofighter-Deal

Die wohl bemerkenswerteste Entwicklung im Zusammenhang mit den Problemen der türkischen Streitkräfte war die Zustimmung Deutschlands zum Verkauf von Eurofightern. 

Beim Besuch des britischen Premierministers in der Türkei im Oktober wurde der Kauf der Maschinen beschlossen. Dass unmittelbar danach auch der deutsche Regierungschef Friedrich Merz anreiste, stieß in Teilen der türkischen Öffentlichkeit auf Kritik: In den europäischen Hauptstädten, so der Vorwurf, werde der demokratische Rückschritt in der Türkei schlicht ignoriert. 

Aus beiden Besuchen ergab sich jedoch jenseits der Einigung über den Eurofighter-Kauf kein greifbares Signal dafür, dass sich die Beziehungen im Verteidigungs- oder im Wirtschaftsbereich tatsächlich vertiefen würden. In Deutschland unter dem Druck der rechtsextremen AfD stehend, so lauteten die Kommentare, messe Merz der Türkei vor allem deshalb weiterhin Bedeutung bei, weil sie als Pufferzone zur Abwehr von Migrantinnen und Migranten fungiere.

Die militärische Stärke rückt in den Fokus

Mit Trumps Rückkehr ins Weiße Haus wurden in Europa die Zweifel an der Bereitschaft der USA, den Kontinent angesichts des russischen Angriffs auf die Ukraine zu verteidigen, zunehmend ernst genommen. Das lenkte den Blick auf die Türkei, die mit der zweitgrößten Armee der NATO und einer in den vergangenen Jahren sprunghaft gewach­senen Rüstungsindustrie sicherheitspolitisch an Gewicht gewann. So sehr der geostrategische Wert der Türkei damit neu entdeckt zu werden scheint, die Hindernisse für eine Beteiligung Ankaras an dem 150-Milliarden-Euro-Fonds SAFE (Security Action for Europe) der Europäischen Union konnten dennoch nicht aus dem Weg geräumt werden. Griechenland hielt an seiner Blockade fest. 

Abgesehen von der Ankündigung der EU, die „Cascade“-Regelung einzuführen – wonach Antragsteller mit früheren, korrekt genutzten Schengen-Visa schrittweise leichter Mehrfachvisa mit längerer Gültigkeit erhalten sollen –, gab es bei der angestrebten Erleichterung der Visavergabe kaum Fortschritte. Auch die Aktualisierung der Zollunion kam nicht wirklich auf die Tagesordnung. Die neu entdeckte sicherheitspolitische Bedeutung der Türkei schlug sich im Ergebnis vor allem in Gesprächen zwischen der EU und einigen türkischen Ministern – allen voran Außenminister Fidan – nieder, ohne dass daraus substanzielle Schritte hervorgegangen wären. 

Zwar kam es in den Beziehungen zu Griechenland nicht zu offenen Spannungen, doch wurden 2025 keine Initiativen ergriffen, um das bilaterale Verhältnis spürbar voranzubringen. Im Gegenteil: Das geplante Treffen der beiden Staats-und Regierungschefs am Rande der UN-Generalversammlung in New York wurde verschoben, und der direkte Austausch blieb insgesamt äußerst begrenzt. 

Im Sommer 2025 lösten von Russland ausgehende Luftraumverletzungen in Europa die Alarmglocken aus. Mehrere Flughäfen – darunter auch der Münchner Airport – mussten wegen dieser Vorfälle stundenlang den Betrieb einstellen. Erstmals in der Geschichte der NATO fanden innerhalb von nur zwei Wochen gleich zwei Sondersitzungen statt. Auch die Türkei beteiligte sich als Bündnismitglied an den von der Allianz gegenüber Russland beschlossenen Maßnahmen.

Kalter Wind in den Beziehungen zu Russland

Im Jahr 2025 war von der früheren Dynamik in den bilateralen Beziehungen zu Russland kaum noch etwas zu spüren. Gleichwohl trat die Türkei dreimal als Gastgeberin für Gespräche auf technischer Ebene zwischen der Ukraine und Russland auf. Je näher Präsident Erdoğan an Trump heranrückte, desto stärker geriet das Verhältnis zu Moskau in eine Art Stillstand. Zwar deckte sich Trumps Wunsch, den Krieg in der Ukraine zu beenden, mit dem Ziel Ankaras, die Kämpfe so schnell wie möglich zu stoppen, doch weder die in Istanbul geführten Gespräche noch Trumps Treffen mit Russlands Präsident Wladimir Putin brachten greifbare Ergebnisse. Als schließlich die Idee, Russland wirtschaftlich unter Druck zu setzen, auf Trumps Agenda rückte, forderte Washington auch von der Türkei, den Bezug von Erdöl und Erdgas aus Russland zu beenden.

Aserbaidschan, Armenien und die Türkei

Zu den wichtigsten Entwicklungen aus Sicht der türkischen Außenpolitik gehörten 2025 die Vorgänge im Südkaukasus. Seit dem Waffenstillstand 2020, der auf die aserbaidschanische Rückgewinnung weiter Teile der umstrittenen Gebiete folgte, führen Baku und Eriwan Gespräche über ein dauerhaftes Friedensabkommen. Blockiert wurden sie vor allem durch den Streit um einen 43 Kilometer langen Korridor, der das aserbaidschanische Kernland über armenisches Territorium mit der Exklave Nachitschewan verbinden sollte. Mit dem Eingreifen der USA wurde schließlich ein Modell gefunden, wonach der Korridor in Partnerschaft mit einem US-Unternehmen betrieben werden sollte. Der entlang der iranischen Grenze verlaufende Zangezur-Korridor erhielt den pathetischen Namen „Trump-Weg für internationalen Frieden und Wohlstand“, während die Staatschefs Aserbaidschans und Armeniens nach Washington reisten, um das Friedensabkommen unter Trumps Aufsicht zu paraphieren. 

Ankara wiederum hatte in der Vergangenheit versprochen, parallel zur Normalisierung zwischen Armenien und Aserbaidschan auch die eigenen Beziehungen zu Eriwan voranzubringen. Trotz der Entwicklungen in Washington blieb die Türkei dieses Versprechen jedoch schuldig. Nicht einmal der bereits 2022 verkündete Beschluss, den gemeinsamen Landgrenzübergang für Staatsangehörige aus Drittstaaten zu öffnen, wurde in die Praxis umgesetzt.

Die Banalisierung der Gewaltanwendung

2025 war ein Jahr, in dem der Rückgriff auf militärische Gewalt nahezu zur Routine wurde. Mit großer Sorge verfolgte Ankara den im Juni ausgebrochenen Krieg zwischen Iran und Israel, der das Potenzial hatte, die gesamte Region in ein Inferno zu verwandeln, und atmete spürbar auf, als die Kämpfe nach zwölf Tagen endeten. 

Zwischen Indien und Pakistan eskalierte eine Krise im April, wobei die türkische Regierung offiziell betonte, beide Seiten zur Zurückhaltung aufgerufen zu haben. In Neu-Delhi war man hingegen überzeugt, die Türkei habe sich de facto stärker auf die Seite Pakistans gestellt. Indien reagierte mit Maßnahmen gegen türkische Unternehmen; zudem nahm Ankara sehr genau wahr, dass Neu-Delhi seine Zusammenarbeit mit Armenien, insbesondere im militärischen Bereich, deutlich intensivierte. 

Pakistan und Afghanistan kamen im letzten Quartal 2025 in Istanbul unter türkischer Vermittlung zu Gesprächen zusammen, um ihre Spannungen abzubauen; greifbare Ergebnisse blieben jedoch aus.

Neue Führung bei den türkischen Zyprioten

Eine für die Türkei besonders wichtige Entwicklung spielte sich derweil auf Zypern ab. Die Präsidentschaftswahl im Norden der Insel gewann der gemeinsame Kandidat der Opposition, Tufan Erhürman, Vorsitzender der Republikanischen Türkischen Partei (CTP). Der amtierende Präsident Ersin Tatar, der im Wahlkampf von Ankara unterstützt worden war und für ein Modell zweier getrennter Staaten auf Zypern eintritt, kam nur auf 35,81 Prozent der Stimmen. Erhürman, der 62,76 Prozent erreichte, machte dagegen geltend, eine Zweistaatenlösung sei kein realistischer Ansatz, um die wirtschaftliche und politische Isolation der türkischen Zyprioten zu beenden. An den Verhandlungstisch wolle er zudem nur unter bestimmten Bedingungen zurückkehren. Der deutliche Abstand zu seinem Rivalen wurde weithin als Ausdruck des Protests der türkischen Zyprioten gegen den Einfluss gedeutet, den Ankara im Norden der Insel über Jahre hinweg zementiert hatte. 

Die Regierungsparteien, die 2020 mit massiver Einmischung Ersin Tatar ins Amt gehievt hatten, reagierten sehr unterschiedlich auf Erhürmans Wahlsieg. Präsident Erdoğan gratulierte ohne Zögern und sprach von einem Ausdruck demokratischer Reife. Ganz anders MHP-Chef Devlet Bahçeli: Aus Protest gegen den Ausgang der Wahl plädierte er dafür, den Norden der Insel direkt an die Türkei anzuschließen. 

Erhürman, der während des Wahlkampfs von aus Ankara entsandten Teams Ziel einer intensiven Schmutzkampagne gewesen war, bemühte sich seinerseits, nie eine Haltung einzunehmen, die als frontale Konfrontation mit der Türkei hätte verstanden werden können. „Ohne Abstimmung mit der Türkei ist auf Zypern bislang noch nie eine Außenpolitik festgelegt worden, und das wird es in meiner Amtszeit auch nicht geben“, erklärte er und reiste kurz nach der Wahl nach Ankara, wo er von Präsident Erdoğan im Rahmen einer offiziellen Zeremonie empfangen wurde. 

Barçın Yinanç ist eine auf türkische Außenpolitik spezialisierte Journalistin, die seit den 1990er-Jahren als Diplomatiekorrespondentin und Kommentatorin arbeitet und heute für T24 schreibt.

Impressum

Herausgeberin

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Cihannüma Mahallesi, Mehmet Ali Bey Sk. No: 12 D:4 

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Verantwortlich

Tina Blohm, Landesvertreterin 

Autorin 

Barçın Yinanç 

Redaktion und Übersetzung 

Tamer İlbuğa tamer.ilbuga(at)fes.de 

Bildnachweis

Seite 3: picture alliance / SIPA / Mehmet Eser / 25.09.2025 

Seite 4: picture alliance / Anadolu / TUR Presidency/ Murat Kula 

 

Die in dieser Publikation zum Ausdruck gebrachten Ansichten sind nicht notwendigerweise die der Friedrich-Ebert-Stiftung e.V. (FES). Eine gewerbliche Nutzung der von der FES herausgegebenen Medien ist ohne schriftliche Zustimmung durch die FES nicht gestattet. Publikationen der FES dürfen nicht für Wahlkampfzwecke verwendet werden. 

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